Bödinger Klostergeschichten – 16 Gutshöfe

Von Dr. Josef Walterscheid

Im letzten Heft der „Heimatblätter“ wurde über das Entstehen des Klosters und das Wirken der Augustiner-Chorherren in Bö- dingen berichtet. Es sollen nun einige Geschichten wiedergegeben werden, die man sich heute in Bödingen über die Chorherren erzählt und die in oft köstlicher Weise über das Klosterleben und das Verhältnis der Bödinger zu ihren Mönchen berichten. Nr. 1-4 sind mit gütiger Erlaubnis des Herausgebers, Herrn Prof. Dr. Müller in Bonn aus Heft 3-4 des Jahrganges 1928 der Zeitschrift für rheinische und westfälische Volkskunde, wo sie als Beitrag zur geschichtlichen Sagenbildung erschienen, abgedruckt[1].

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Außer vielem anderen Guten haben die Augustiner-Mönche den Weinbau nach Bödingen gebracht. Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren die Abhänge der Straße Müschmühle-Lauthausen mit Reben bestanden. Das Kloster besaß zwei große Kelter, eines an oben erwähnter Straße, dessen Mauern heute noch stehen und eines an der neuen Straße Oberauel-Lauthausen im „Gesetz“, das sogenannte Herrenkelter, das leider bei dem Straßenbau infolge eines Bergrutsches zugeschüttet worden ist[2].

Ein besonders guter Tropfen wuchs in einem Weinberge unterhalb Altenbödingen mit der noch heute bestehenden Bezeichnung „lm Gottgelob und Priors-Huddel“. Diesem Namen soll folgende Geschichte zugrunde liegen:

Eines Tages, zur Zeit der Traubenernte, brachte ein Lauthausener Bauer, dem dieser Weinberg gehörte, Trauben von ganz hervorragender Größe und Süße dem Prior (dem Preiel, wie er im Volksmunde hieß) nach Bödingen. Dieser sagte bei dem wunderbaren Anblick: „Dem sei Gott gelobt.“ Und von jetzt ab nannte der Bauer seinen Weinberg „lm Gottgelob“[3].

Schreckensbleich erschien der Bauer einige Zeit später wiederum im Kloster und meldete, nachts ging ein ganz furchtbares, weißes Gespenst um sein Haus. Er bat um einen Pater, der das Gespenst banne. Der Prior sandte ihm einen Pater mit. Hierfür trat der Bauer ein Stück seines Weinbergs „lm Gottgelob“ an das Kloster ab.

Der Pater bannte das Gespenst auch tatsächlich, und zwar trieb er es bis in die „Löggenhardt“, die Schlucht der Selbach. Hier wurde das Gespenst von dem „Löggenhardt-Ühmchen“ festgehalten. – Das Löggenhardt-Ühmchen dient noch heute als Kinderschreck. Es ist ein ganz verwachsenes Männchen (Kobold) mit zwei glühenden Augen so groß wie eine Kuchenpfanne, und einen Hut, so groß wie eine Wanne (ein breites, aus Weiden geflochtenes Instrument, das zum Reinigen von Getreide verwandt wird)[4].

Dieses ominöse Männchen nahm sich also des Gespenstes an. Aber seine Macht scheint keine allzu große gewesen zu sein. Bei jedem Vollmond entwich ihm das Gespenst, drei Hahnen-Schritte weit auf das Haus seines Opfers zu und bald trieb es wieder sein Unwesen um das Haus des geängstigten Bauern. Dieser wusste sich nicht anders zu helfen: Er holte einen Pater, der es wieder zum Löggenhardt-Ühmchen bannte, natürlich nur gegen Hingabe eines Stückes Weinberg. So ging es fort, bis er seinen ganzen schönen Weinberg „lm Gottgelob“ dem Kloster vermacht hatte. Erst da hatte die Gespensterverfolgung ein Ende.

Als dann später eine Zeit kam, in der man nicht mehr an Gespenster glaubte, nannte der verärgerte Bauer oder auch seine Erben, den Weinberg, den man fürs Gespenster- Bannen an das Kloster abgegeben hatte „lm Gottgelob und Priors-Huddel“. Das Wirken von wohlwollenden Gespenstern zeigt sich in folgender Geschichte:

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An der neuen Straße Oberauel – Lauthausen, gegenüber dem obenerwähnten „Herren Kelter“, führt eine Höhle in den Berg[5], im Volksmunde heißt sie „die Zwerghöhle“. Die Zwerge, die sie bewohnten, waren den Bewohnern von Oberauel sehr zugetan. Zur Zeit einer Hungersnot haben sie ihnen regelmäßig einen Kessel mit Brei auf einen Abhang vor dem Dorfe („am decken Herrgott“ heißt es hier nach einem dort früher stehenden Kreuz mit einem übermäßig großen Korpus) gestellt. Der leere Kessel wurde stets von den Oberaulern dorthin zurückgestellt. Als die Leute jedoch unverschämt wurden und den Kessel behielten, hörte das Liebeswerk der Zwerge auf. In Wirklichkeit haben wohl die Bödinger Mönche die Leute mit Essen versorgt.

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Wie sich die Mönche in der Erwerbslosenfürsorge betätigt haben, zeigt sich im Folgenden:

Früher stand an dem Wege zum Bahnhof, vor dem jetzigen Vereinslokal, ein Heiligenhäuschen mit einer Figur, „Jesus am Ölberge“, die sich jetzt über der Türe des vor- letzten Hauses, rechts der Straße befindet. Das Heiligenhäuschen stand auf einem Grasplatz mit Bäumen, einem sogenannten „Bungert“.

Auf dem Bungert fanden sich diejenigen Leute aus der Umgegend ein, die ohne Beschäftigung waren, und schnallten von Zeit zu Zeit ihren Schmachtriemen enger. Regelmäßig erschien dann ein Klosterbruder und wählte so und so viele aus, die er mitnahm. Im Kloster bekamen diese Leute dann Essen und wurden zur Arbeit in den Weinberg geschickt.

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Zu dem Bödinger Kloster gehörten 16 Gutshöfe. Den Namen „Bödinger Hof“ trägt noch heute ein Hof in Geisbach bei Hennef. Wenn die Patres zum Bischof reisten, konnten sie jeden Abend auf einem ihrer Gutshöfe übernachten.

Die Pächter zahlten außer dem Pachtzins eine der Eigenart ihrer Wirtschaft angepasste Abgabe: Wer Wein baute, musste ein Fass Wein liefern, wo Eichen wuchsen, musste Lohe geliefert werden. Außerdem musste jedes Gut ein fettes Schwein abliefern. An einem bestimmten Tage erschienen sämtliche Pächter mit ihrem Zins in Bödingen. Wenn von den Patres alles geprüft und abgenommen war, wurde ein großes „Freß- und Sauf-Fest“ gefeiert. Das Ziel bei dem Feste war sehr weit gesteckt, jeder Pächter durfte so lange mittun, bis er eine Taube von einem Spatz nichtmehr unterscheiden konnte. Ein Teil der abgelieferten Schweine wurde geschlachtet; unter anderem auch das an Gewicht schwerste. Wer von den Pächtern dieses abgeliefert hatte, bekam den Ehrenplatz neben dem Prior.

Diese Ehre war bei den Pächtern sehr geschätzt. Es sollen Schweine von ganz erstaunlicher Schwere abgeliefert worden sein.

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Nach Aufhebung des Klosters schenkte Napoleon Bödingen seinem General Boinard. Dieser nahm Wohnung in dem Hause der heutigen Bäckerei Breuer. Das Klosterland hatte er an die Bauern verpachtet. Später verkaufte er das Land und zog nach Köln. Bald darauf wurde Boinard irrsinnig und verbrannte in einem Anfall sämtliche Bödinger Kaufakten, was bei der weiteren Einzahlung der Kaufraten eine erkleckliche Verwirrung anrichtete[6]

Der Verkauf einer großen Waldparzelle auf dem „Weißenbruch“ war Boinard nicht gelungen. Zunächst handelte es sich um ziemlich wertloses Land, das mit mannshohen, oben wieder ausgeschlagenen Baumstümpfen bewachsen war. Dann hatte aber auch Pater Gabriel Stock, der zurückgebliebene Augustinermönch, der in einem heiligmäßigen Rufe stand und von dem die Leute erzählten, daß er infolge vielen Betens Schwielen an den Knien bekommen habe, jeden, der Hand an dieses Klosterland lege, verwünscht[7]. Mit der Verwünschung durch einen Pater aber war nicht zu spaßen. Das hatte in früheren Jahren ein Kuhhirt des Klosters erfahren, dem infolge Unachtsamkeit bei Oberhalberg eine Kuh entlaufen war. Ein Pater soll ihn darob verwünscht haben und den schaurigen Ruf des Kuhhirten: „Ming – rut Kuh! – Ming – rut – Kuhl“ hörte man noch oftmals in Vollmondnächten in der Ehlenhardt.

Boinard hatte das Land auf dem Weißenbruch folgendermaßen ausgestellt. Derjenige, der die Baumstümpfe ausrodete, zu Kohlen brannte und die Kohlen an ihn ablieferte, sollte das Land zu Eigentum erhalten. Bald fand sich einer, der es mit dem Satan aufzunehmen wagte. Es war der Landwirt Eich aus Bödingen. Dieser erbot sich, den Weißenbruch zu roden und zu Kohlen zu brennen. Eich hatte sich schon mehr in der Welt umgesehen und fürchtete den Satan nicht. Mit Hilfe einiger Niederhalberger Bauern – noch heute heißt man eine Familie dort „die Köhlersch“ – brannte er den Weißenbruch und erhielt so dessen Eigentum. Vom Satan blieb er trotz der Verwünschung unbehelligt.

Und da sich die neuen Tage aus dem Schutt der alten bauen, kann ein ungetrübtes Auge rückwärts blickend vorwärts schauen

Aus: DREIZEHNLINDEN. XVII Str. 16 

 


[1] Die Geschichten wurden mir größtenteils von dem Gemeindevorsteher Wilhelm Beyert in Bödingen erzählt, dessen erstaunlichem Gedächtnis und großem Interesse für Heimatkunde ich manche wertvolle Anregung verdanke.

[2] Ein sehr ertragreiches Weinjahr muss das Jahr 1811 gewesen sein. Der Traubenreichtum war so groß, dass man die Trauben auf die Termen schütten musste, und- der Saft unter den Scheunentoren herlief. Noch jetzt finden sich hie und da in Bödinger Familien eine Flasche -allerdings etwas kratzigen Rotspon Bödinger Wachstums

[3] ‚ Daß auch weniger gut beleumundeter Wein dort wuchs, beweist die Grundbuchbezeichnung „lm Essig“, die ein Nachbarweinberg trägt.

[4] Das Löggenhardt-Ühmchen ist anscheinend eine Erfindung von Holzdieben, die abends eine große Holzbürde auf dem Buckel (daher der mächtige Hut) mit der brennenden Pfeife, aus der zuweilen Funken stoben (daher die glühenden Augen) nach Hause gingen. Zuweilen hieß das Löggenhardts-Ühmchen auch der „Nork“. „Ich muß gehen, sonst kriegt mich der Nork“, heißt es heute noch, wenn man bei einbrechender Dunkelheit nach Hause gehen will. Für gewöhnlich saß es unten in der Selbach und haspelte Gedärme. 

[5] Die Höhle, so hieß es, sei ein unterirdische: Gang, der mit dem Keller der Bödinger Kirche in Verbindung stehe. Als das Kloster aufgehoben worden sei, hätten die Mönche im Keller und Gang ihre Kostbarkeiten eingemauert. Die Nachforschungen, die seinerzeit unter Pastor Kremer angestellt wurden; verliefen ergebnislos. – Die Zwerghöhle ist wohl ein Bergwerksversuch

[6] Über die Aufhebung des Klosters und die wirtschaftliche Verwertung der Klostergüter soll vielleicht in einem späteren Aufsatz berichtet werden. Napoleon hat mit der Aufhebung des Klosters unmittelbar nichts zu tun. Boinard war kein General Napoleons. Vorübergehend wır Boinard Eigentümer des Klosterhofes.    

[7] Pater Gabriel Stock war ein Minoritenpater aus dem Kloster Seligenthal, dem die Verwaltung des heutigen Pfarrbezirkes übertragen war. 

 

Quelle: http://hennef-lauthausen.de